15. Thema Holz


Ortsbezeichnung: Äbi (In der Äbi)

 

Selbstmanagement erneuerbarer Resourcen

Der dritte Teil des Kulturwegs nimmt seinen Anfang im Dörflein Zmutt und verläuft über Furi, Fleschen, zum See, Blatten und Ärdbrich hinunter nach Zermatt. Damit deckt der Weg das weitläufige Gebiet rechtsufrig des Zmuttbachs ab. In leicht bewaldetem Gelände wechseln Hänge und Ebenen, zerstreute Einzelgebäude und geschlossene Siedlungsbilder. Dieses zirka 1.5 km weite, vom Siedlungsrand Zermatts nach Süden reichende Gebiet gleicht einem riesigen englischen Garten und bietet die beliebtesten Wanderungen Zermatts.

 

Wir verlassen den Weiler Zmutt quasi durch den Hinterausgang und wandern auf einem sanft abfallenden Strässchen in westlicher Richtung. Ob den Mähwiesen sind höher an den Hängen wieder die Terrassierungen aufgegebener Getreideäcker sichtbar. Bereits nach 200 Metern ist die Schlucht erreicht, durch die das restliche Wasser des Zmuttbachs talauswärts fliesst; die Wasserfassung für den Stollen zum Stausee der Grande Dixence liegt weiter hinten im Tal.

 

Der Blick in die enge, tiefe Schlucht ist atemberaubend. Jenseits der Brücke führt ein kurzer Anstieg auf die geteerte Forststrasse. Sie führt ostwärts sanft hinunter in Richtung Furi, durch einen schönen Bestand an Arven, Lärchen und Vogelbeerbäumen (Ebereschen). In wenigen Schritten ist das Gebiet Äbi mit seinen Holzlagerplätzen entlang der Strasse erreicht. An aufgestapelten Stämmen geht man heute meist achtlos vorüber – die grosse Zeit des Holzes ist vorbei.

 

 

Details zum Thema Holz

 

HOLZ – BASIS FÜR DAS LEBEN IN DEN ALPEN

Wie Wasser, Grund und Boden war auch der Wald ein wichtiger Rohstofflieferant. Mit Holz kochte man auf der Trächa (offenes Feuer in der Küche) alle Speisen, feuerte im Winter den Specksteinofen in der Stube. Aus Holz stellte man quasi alles her: Möbel und Werkzeugstiele, Rechen und Fässer, Dachschindeln, Kästchen und Truhen, „Kännel“ für die Wasserfuhren (Suonen, bisses), ja ganze Gebäude: Alle Ställe und Scheunen, Speicher und Stadel, Alphütten und Wohnhäuser waren Blockbauten aus Holz!

 

Holz verschiedener Baumarten wuchs quasi überall und kostete nichts. Eisen aber musste man in Minen als Erz kompliziert abbauen, dann verhütten und schmieden. Es war entsprechend rar und teuer. Daher stellte man möglichst viel selbst aus Holz her, selbst Dinge, die wir heute aus Eisen kaufen, etwa Scharniere und Griffe. Es gab sogar Wasserrohre (Teuchel) aus Holz.

 

Bäume durften nicht überall geschlagen werden, weil der Wald als Bann-/Schutzwald die Siedlungen vor Lawinen und Steinschlag schützte. Reglemente und mündliche Abmachungen ordneten den Gebrauch des begehrten Holzes und beugten einer Übernutzung des Waldes vor. Zusätzlich erhoben sich mahnende Stimmen: Für Zermatt berichtet Josef Schuler (*1956), der bekannte Bergführer Ulrich Inderbinen (1900–2004) habe ihm geschildert, wie sein Vater den Zermattern hie und da ins Gewissen redete: „Wenn ihr dem Wald nicht besser Sorge trägt, womit wollt ihr denn eines Tages heizen?“

 

Wie man in Zermatt der drohenden Holzknappheit im Verlauf der Jahrhunderte begegnete, erklärt uns im Folgenden der Ortshistoriker Klaus Julen:

 

Rund die Hälfte des kultivierbaren Bodens von Zermatt besteht aus Wald. Auf der Schattenseite erstrecken sich von der Stafelalp bis zur Gemeindegrenze grosse, zusammenhängende Waldgebiete, die lediglich von einigen Rodungsflächen unterbrochen werden. Auf der Sonnenseite aber fehlen grössere Waldstriche weitgehend, weshalb Lawinen die linke Talseite bedrohten, während der Bannwald die rechte Talseite schützte.

 

Die Zermatter Wälder bestehen hauptsächlich aus Lärchen und Arven. Tannen sind selten. Dazu kommen vereinzelt Espen und Birken. Nur an einer Stelle, im Teeluwaaldje, stossen wir auf einen kleinen Legföhrenbestand. Der Wald ist unterteilt in die Burgerwälder, die über 80% ausmachen, und den Privatwald, bestehend aus dem sogenannten Geteilenwald [mehrere Anteilhaber] und dem eigentlichen Privatwald.

 

Das Holz spielte einst eine wichtige Rolle als Brenn- oder Bauholz und als Werkstoff. Entsprechend sparsam ging man damit um. Schon 1621 in der Verfassung des Freien Meiertums Zermatt wurde in Artikel 8 für den Holzfrevel eine Strafe von 60 Sold (solidus, eine Währung in Spätmittelalter und Früher Neuzeit) festgesetzt. Jahrhunderte später regelte das kantonale Forstgesetz die Nutzung des Waldes, weitere Einzelheiten legte das Burgerreglement von 1914 fest.

 

Das Bauholz

Fast alle Stallscheunen, Stadel und Speicher sowie die Stuben und Kammern der Wohnhäuser mitsamt ihren Einrichtungen wurden aus Holz errichtet. Wenn ein Mann eine Familie gründete und keine Wohnung besass, hatte er Anrecht auf 20 m³ Bauholz (Rundholz).

Hatten er oder seine Frau Aussicht, später eine Wohnung zu erben, wurde der Anteil gekürzt. Genau bestimmt wurde auch die Menge Bauholz für Neubauten oder Renovationen von Ställen oder Scheunen. Dazu musste man beim Förster, für den man in Zermatt einst das Wort Waldhieter hörte, die Erlaubnis zum Fällen von Bäumen beantragen, worauf dieser sie kennzeichnete. Auch hatte jede neu gegründete Familie Anrecht auf eine sogenannte Braucharve, auch Hochzeitsarve genannt. In späteren Jahren konnte das Ehepaar eine weitere Braucharve beziehen, aus der man vor allem Bretter sägen liess für Möbel, Täfer und andere Gegenstände

 

Die Männer fällten die ausgewählten Bäume meistens in den Wintermonaten Dezember bis Februar. Aus jedem Wald führten vertikale Schneisen ins Tal für den Abtransport der Baumstämme. Dieses Langholz wurde in den Sägereien zu Wandholz oder zu Brettern gesägt. Am Triftbach gab es zwei durch Wasserkraft angetriebene Sägereien.

 

Zahlreiche landwirtschaftliche Gebäude wurden auch fernab der Sägereien erbaut, und man war gezwungen, das Bauholz in der Nähe des Standorts der geplanten Gebäude mit der Spaltsäge vorzubereiten. Das galt insbesondere für die in Alpen und an Hängen verstreuten Stallscheunen.

 

Das Brennholz

In Bezug auf das Sammeln des Brennholzes erliess die Gemeinde im Burgerreglement mehrere Weisungen. Jede Burgerhaushaltung durfte für den Hausgebrauch Dürrholz sammeln, Wurzelstöcke ausgraben oder Alpenerlen (sogenannte Trosle) ausrotten. Die Zuteilung des eigentlichen Brennholzes erfolgte durch das Los. Dabei hatten zwei bis drei Familien zusammen Anspruch auf einen Baum. Den Gastbetrieben war die Nutzung der Burgerwälder untersagt. Ebenso durften die Nichtburger sich nur das Wasserholz aneignen. Damit ist jenes Holz gemeint, das die Gebirgsbäche wegrissen und das irgendwo im Bachbett hängen blieb. Nichtburger hatten kein Recht in den Burgerwäldern Holz zu sammeln.

 

Im Frühjahr (April/Mai), je nach Strenge des Winters, wurde am Sonntag nach dem Hochamt vor der Kirche öffentlich verkündet, dass am folgenden Sonntag das Brennholz verlost werde. Die Verlosung fand im Gemeindesaal statt. Die Lose wurden in einen Hut gelegt und von den Anwesenden gezogen.

 

Die Gemeinde setzte nach Absprache mit dem Förster die Fälldaten (Mai/Juni) fest. An diesen Arbeitstagen waren die Männer bei der Gemeinde versichert. Das Burgerreglement schrieb fest, dass jeder, der das Losholz bis zur festgesetzten Frist nicht gefällt hatte, sein Anrecht darauf verlor. Die Leute sägten die Stämme auf ca. 1 m Länge und lagerten die Stücke am Weg oder einer gut erreichbaren Stelle im Wald, um sie im folgenden Winter mit dem Schlitten zu holen. Viele Leute waren zusätzlich auf Baumstrünke angewiesen.

 

Das dürre Holz war den Burgerfamilien vorbehalten. Es konnte zu jeder Zeit gesammelt und dürre Bäume bis zu einem Durchmesser von ca. 25 cm gefällt werden. Dürre Äste und Fallholz schichteten die Leute in Wegnähe auf und kennzeichneten sie mit einem aufgelegten Stein als ihren Besitz. Niemand kam auf den Gedanken, sich heimlich zu bedienen.