Der Blockbau
Wird ein Gebäude nicht aus Stein, sondern aus Holz erstellt, ist neben dem Ständerbau und dem Fachwerkbau als Drittes der Blockbau eine der häufigen Techniken. Er wird auch Strickbau genannt und ist einfach zu bewerkstelligen.
Die einzelnen Bäume werden waagrecht aufeinander gelegt, an ihren Enden eingeschnitten und übereinander gekreuzt bzw. „gestrickt“. So stehen an allen vier Gebäudeecken die Köpfe der Wandbäume vor, die Blockvorstösse (im Walliser Dialekt „Gwätti“). Diese solide und dauerhafte Technik haben archäologische Grabungen im Wallis bereits in keltischer Zeit nachgewiesen (letztes Jahrtausend vor Christus).
Nun gibt es beim Blockbau drei Möglichkeiten, in welchem Zustand man die Bäume für den Bau verwendet: Man belässt sie rund und es gibt einen Rundholzbau. Oder man spaltet die Bäume entzwei und zieht die Wände des Gebäudes aus Hälblingen hoch. Oder man nimmt eine Säge oder ein breitklingiges Beil, begradigt die vier Seiten des Stammes und erhält Kanthölzer, aus denen ein Kantholzblockbau entsteht – das ist im Wallis die häufigste Art und auch in Zermatt wurden die meisten Gebäude in dieser Technik erstellt.
Welche Gebäudetypen unterscheiden wir?
Die Stallscheune
Unter den traditionellen Gebäuden kommt die Stallscheune am häufigsten vor. Stallscheunen gibt es nicht nur in den Dörfern recht viele. Sie stehen auch zerstreut im Gelände, oft weit hinauf bis in jene Gegend, wo die Weiden der Sommeralpen beginnen. Der Grund ist offensichtlich: Das Vieh ist die zentrale Lebensbasis des Bauern. Für seine Kühe, Schafe und Ziegen baut er einen eigenen Gebäudetyp, die Stallscheune. Im Oberteil wird im Sommer das Heu von den Wiesen eingebracht. Im Winter verfüttert man es an die Tiere, die darunter im Stall sind. Aber warum tut man das nicht rationell an einem einzigen Ort, bequemerweise unten im Dorf?
Strassen gab es im Gebirge keine, Motoren und Maschinen waren noch unbekannt. Es hätte enorme Kräfte erfordert, alles Heu von überall her in eine einzige grosse Stallscheune im Dorf zu bringen. Leichter war es, mit dem Vieh zu den Heuvorräten umzuziehen – daher entstanden an den verschiedensten Orten im Gelände die Stallscheunen.
Inzwischen ist die Landwirtschaft in den Berggebieten stark zurückge- gangen. Und dank dem Bau von Strassen wurde der Heutransport an einen zentralen Ort möglich. So stehen viele dieser Stallscheunen heute leer.
Der Stadel
Wie die Stallscheunen stehen auch die Stadel sowohl in den Dörfern als auch zerstreut im Gelände. Zwar gibt es deutlich weniger Stadel als Stallscheunen. Doch immerhin: Das Getreide, das im Stadel lagert, war dem Bauern so wichtig, dass er dafür ein eigenes Gebäude erfand, eben den Stadel. Er wird auch Garbenscheune genannt, weil die Getreidegarben hier eingelagert werden. Der Baukörper mit dem eigentlichen Lagerraum steht auf Stützeln. Diese Holzbeine heben den Bau von der Bodenfeuchtigkeit ab. Die zirkulierende Luft verhindert Fäulnis. Die Steinplatten auf den Holzstützen erschweren den Mäusen und anderen gefrässigen Schädlingen den Zugang. Durch den Mittelteil des Gebäudes verläuft das Dreschtenn, ein massiver Boden aus dicken Holzbohlen, auf denen im Winter das Getreide gedroschen wurde. Manchmal kragt der oberste Teil der Stadel-Giebelseite über den Gebäudekörper hervor; er heisst im Dialekt „Üs-Schuss“, sorgt für zusätzlichen Lagerraum und deckt den darunterliegenden Eingangsbereich.
Der Speicher
Der Speicher (Dialekt: dr Schpiicher) war so etwas wie die Schatztruhe des Bauern. Allerdings muss man sich diese bescheiden vorstellen: Hier lagerten nicht enorme Reichtümer, sondern Trockenfleisch, Schinken, Speck und Würste sowie Getreidekörner. Als lang haltbare Nahrungsvorräte sicherten sie das Überleben. Auch ein paar Habseligkeiten und Kleider fanden hier Platz. Der Speicher ist daher immer verschliessbar und die Hölzer der Wände sind dicht aufeinandergeschichtet, damit weder Schädlinge noch Langfinger Zugang haben. Zusätzlich steht der Speicher (wie auch der Stadel) auf Holzbeinen, damit die Feuchtigkeit des Bodens nicht ins Gebäude aufsteigt und die Nahrungsmittel zum Schimmeln bringt. Die Steinplatten sind statisch ein gutes Auflager für den schweren Baukörper auf den feinen Stützeln – und sie können Nager am Eindringen hindern.
Unterschied zwischen Stadel und Speicher
Das Wohnhaus
Die 500 bis 600jährigen Wohnhäuser besitzen einen niedrigen Steinsockel. Darauf steht der Holzbau, der als solider Kantholzblockbau aufgeführt ist. Seine Hölzer weisen oft die typische Unregelmässigkeit der Bearbeitung mit dem Breitbeil auf. Der Bau zählt in der Regel ein Wohngeschoss und darüber ein Kammergeschoss. Ein Schindel- oder ein Steinplattendach deckt den Bau.
Die Hauptfront ist der Sonne zugekehrt und oft haben sich hier die kleinen, lukenartigen Fenster erhalten. Teils sind sie quadratisch aus der Blockwand ausgehauen und messen um die 20x20 cm, teils sind sie hochrechteckig konzipiert und können 30x50 cm gross sein. Mit Seelenglozzen – durch die kleinen Öffnungen sollen laut einer modernen Legende die Seelen der Sterbenden ins Freie geschwebt sein – haben diese Fenster nichts zu tun. Es handelt sich um absichtlich klein gehaltene Fenster, denn man wollte im Winter unnötigen Wärmeverlust vermeiden. Als Bauer war man ja bereits genügend draussen an der Luft und am Licht… Erst spätere Generationen vergrösserten hie und da die alten Fenster dieser Häuser.
Dem Thema „Seelenfenster“ wird auf den weiteren Stationen des Kulturwegs ein eigener Beitrag gewidmet sein.
Im ebenerdigen Wohngeschoss liegt talseitig die Wohnstube, im Winter der einzige einigermassen heizbare Raum des Hauses. Bergseitig befindet sich die Rauchküche mit der offenen Feuerstelle. Im Obergeschoss liegt in der Dachschräge eine niedrige Kammer.
Seit dem Ende des Mittelalters werden die Häuser stattlicher und grösser: Die Fassaden sind breiter, zur Stube kommt eine seitliche Nebenstube hinzu. Die Häuser werden auch höher, ein zweites oder sogar ein drittes Stockwerk wird aufgebaut. Die Fenster plant man grösser, auch wenn Glas noch selten und teuer ist.